Das Jahr 2025 eröffnet spannende Perspektiven für die Arbeitswelt: Die digitale Transformation bietet neue Möglichkeiten, innovative Technologien schaffen Raum für kreative Lösungen und der dynamische Arbeitsmarkt erfordert zukunftsweisende Personalstrategien. Wie gestaltet ein internationales Ingenieurunternehmen diese Möglichkeiten?
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DB Engineering & Consulting
EUREF-Campus 14
10829 Berlin
Deutschland
Im Gespräch mit Natalie Kendzia, verantwortlich für die Personal- und Führungskräfteentwicklung der DB E.C.O. Group, wird deutlich: Der Schlüssel liegt in einer Kombination aus gezielter Talent- und Nachwuchsförderung und einer Unternehmenskultur, die auf Eigenverantwortung und psychologische Sicherheit setzt. Anlässlich ihrer kürzlichen Übernahme der Schirmherrschaft unserer Kooperation mit der bbw-Hochschule Berlin sprechen wir mit ihr über moderne Personalentwicklung, die Balance zwischen zentraler Steuerung und regionaler Anpassung sowie die besonderen Anforderungen eines internationalen Ingenieurunternehmens.
Welche Strategien verfolgen Sie als Verantwortliche für Personalentwicklung in der DB E.C.O. Group, um die individuelle Weiterentwicklung von 7000 Beschäftigten in einem internationalem Unternehmen sicherzustellen?
“Die Personalentwicklung ist bei uns fest in der Unternehmensstrategie verankert. Von unseren fünf strategischen Stoßrichtungen im Personalbereich widmen sich zwei diesem wichtigen Thema im engeren Sinne: zum einen die Personalentwicklung selbst und zum anderen die Mitarbeitendenbindung. Beide Aspekte sind für uns untrennbar miteinander verbunden.
Die DB E.C.O. Group vereint Ingenieur-, Digital- und Betriebskompetenz weltweit. Als größtes Ingenieurbüro Deutschlands sind wir bei der DB E&C in der Planung, Bauüberwachung sowie im Umwelt- und Geoservice-Bereich tätig. Dabei setzen wir auf eine kompetenz- und skillbasierte Personalentwicklung. Wir analysieren für jeden Fachbereich und alle Gewerke sehr genau, welche Kompetenzen heute benötigt werden. Noch wichtiger ist aber ein Blick in die Zukunft: Welche Fähigkeiten werden unsere Mitarbeitenden brauchen, damit wir auch künftig erfolgreich am Markt agieren können?
Dieser strategische Weitblick ist meiner Ansicht nach essenziell – gerade mit Blick auf die Digitalisierung. Wir erleben derzeit eine regelrechte Revolution, vergleichbar mit der Einführung des Internets vor über 30 Jahren. Die Berufsbilder unserer zahlreichen Ingenieur:innen werden sich fundamental verändern. Dabei stellen wir uns schon heute die Frage: Welche neuen Fähigkeiten werden unsere Mitarbeitenden künftig benötigen?
Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Problemlösungskompetenz. Diese Fähigkeit wird noch wichtiger werden, da künftig viele Prozesse KI-basiert vorbereitet werden. Die Ergebnisse dieser KI-basierten Vorbereitung stehen zur Problemlösung bereit und müssen an der richtigen Stelle angewandt werden. Darauf müssen wir sowohl unsere bestehenden Mitarbeitenden vorbereiten als auch unsere Rekrutierungsstrategie ausrichten.
Parallel dazu geht es darum, unsere Marktposition in Deutschland und weltweit weiter zu stärken. Dafür vermitteln wir gezielt Grundkompetenzen. Ein Anwendungsbeispiel ist Building Information Modeling (BIM) im Planungsbereich – für diese Technik bieten wir umfassende Schulungsreihen an, um die komplette Digitalisierung der Planungsleistungen zu gewährleisten. Ähnliches gilt für die Einführung neuer Software in anderen Berufsgruppen.
Ein weiteres Beispiel ist das Projektmanagement. Als Projektgesellschaft legen wir großen Wert auf Knowhow in diesem Bereich. Allein im Jahr 2024 haben wir etwa 60 Projektmanagement-Qualifizierungen mit rund 700 Mitarbeitenden durchgeführt. Wir analysieren kontinuierlich die konkreten Bedarfe und begleiten diese mit gezielten Personalentwicklungsmaßnahmen.”
Die Erfassung der Bedarfe allein ist in einem Unternehmen mit über 7.000 Mitarbeitenden sicherlich keine einfache Aufgabe. Wie gehen Sie mit zusätzlichen erschwerenden Faktoren wie Mitarbeitendenfluktuation um?
“Das ist in der Tat ein wichtiger Aspekt, den wir auch aus der Perspektive der Mitarbeiterbindung betrachten. Unsere Strategie verfolgt dabei zwei Stoßrichtungen: Zum einen den langfristigen Blick darauf, wie wir mit der sich verändernden Arbeitswelt umgehen und wo wir eigene Akzente setzen können. Zum anderen fokussieren wir uns kurz- bis mittelfristig darauf, wie wir unseren bestehenden Mitarbeitenden – und das sind ja nicht wenige – ein optimales Arbeitsumfeld bieten können, in dem sie ihr Potenzial voll entfalten können.
Dabei setzen wir sowohl bei den Rahmenbedingungen an als auch ganz konkret bei den erforderlichen Fähigkeiten und Skills. Hier unterstützen sowohl die Führungskräfte als auch das Unternehmen als Ganzes.
Personalentwicklung verstehen wir als sehr individuellen Prozess. Deshalb haben wir in diesem Jahr den ‘Du bist mir wichtig!’-Dialog eingeführt und eine ‘Du bist uns wichtig!’-Befragung durchgeführt. Damit wollten wir gezielt erfahren, was unsere Mitarbeitenden benötigen, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können und welchen Einfluss bestimmte Rahmenbedingungen auf die Mitarbeitendenfluktuation haben.
Diese zweigleisige Herangehensweise hat sich als sehr zielführend erwiesen: Einerseits analysieren wir zentral, was es heute und in Zukunft braucht, um unsere Leistungen erfolgreich anbieten zu können. Andererseits gehen wir in den persönlichen Dialog, um sehr spezifische Entwicklungsbedarfe zu identifizieren. Unsere Fluktuation ist in 2024 signifikant zurückgegangen. Der Rückgang ist sicherlich multifaktoriell zu begründen, ich bin aber überzeugt, dass unsere Initiative einen relevanten Beitrag geleistet hat.”
Sie haben zuvor bereits Digitalisierung angesprochen. Nutzen Sie digitale Weiterbildung in ihrem Personalentwicklungsansatz und falls ja, wie wird diese angenommen?
“Digitale Weiterbildung spielt bei uns eine zentrale Rolle. Dabei ist E-Learning mittlerweile so etabliert, dass es teilweise schon nicht mehr als besonders innovativ gilt. Während der Corona-Pandemie erlebte das digitale Lernen jedoch eine Art Renaissance. In dieser Zeit konnten wir die DB Lernwelt so erfolgreich etablieren, dass sie heute aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist.
Diese Plattform ermöglicht unseren Mitarbeitenden den Zugriff auf verschiedenste Lerninhalte – von Videos bis hin zu aufgezeichneten Veranstaltungsreihen. Der Grundgedanke ist dabei, dass Qualifizierungsinhalte zeit- und ortsunabhängig verfügbar sind.
Aktuell entwickeln wir dieses Konzept mit der sogenannten Lernstation noch weiter. Diese moderne Learning-Experience-Plattform bietet konzernweite Angebote – nicht nur von der DB E.C.O. Group, sondern der gesamten Deutschen Bahn AG. Zusätzlich integrieren wir externe Angebote wie LinkedIn Learning, die in deutscher Sprache und vielen weiteren Sprachen zur Verfügung stehen. Damit schaffen wir ein umfassendes digitales Lernökosystem, das allen Mitarbeitenden sowohl interne als auch externe Weiterbildungsmöglichkeiten bietet.”
Sie haben jetzt gerade die Zeit der Covid-19-Pandemie angesprochen. Gab es da konkrete Learnings, die Sie aus dieser besonderen Situation mit einem komplett veränderten Arbeitsumfeld mitgenommen haben?
“Als global aufgestelltes Unternehmen waren wir bereits vor der Pandemie mit virtueller Zusammenarbeit vertraut. Neu war allerdings die konsequente Übertragung spezifischer Lerninhalte in die virtuelle Umgebung – hier wirkte die Pandemie definitiv als Katalysator. Die dabei gesammelten Erfahrungen prägen bis heute unseren Ansatz in der Personalentwicklung.
Wir differenzieren heute sehr genau, welche Qualifizierungsinhalte zwingend in Präsenz vermittelt werden müssen und wo virtuelle Formate absolut ausreichend oder sogar vorteilhaft sind. Ein konkretes Beispiel ist unsere Pflichtschulung zur Arbeitssicherheit: Während sich früher alle Kolleginnen und Kollegen dafür im Büro trafen, wird diese heute erfolgreich im virtuellen Format durchgeführt.
Diese Entwicklung hat uns gezeigt, dass nicht jeder Inhalt für eine rein digitale, vorproduzierte Vermittlung geeignet ist – aber dort, wo es passt, nutzen wir die Vorteile der virtuellen Formate konsequent.”
Viele Angebote gibt es also schon online. Was ist hingegen Ihre Zielsetzung oder ihr Anspruch beim Zusammenkommen in Präsenz?
“Bei Präsenzveranstaltungen steht für uns ganz klar der Netzwerkgedanke und der kreative Austausch im Vordergrund. Wir sind überzeugt, dass starke berufliche Netzwerke es unseren Mitarbeitenden ermöglichen, sich gegenseitig zu unterstützen und bei Fragen direkt kompetente Ansprechpartner:innen im Kolleg:innenkreis zu finden.
Ein sehr erfolgreiches Beispiel dafür ist unser vor zwei Jahren etabliertes Qualifizierungsprogramm für Potenzialträger:innen im Bereich Großprojekte. Hier setzen wir bewusst auf einen Wechsel zwischen virtuellen und Präsenzmodulen. Gerade die Präsenzphasen tragen wesentlich dazu bei, das Netzwerk unter den künftigen Großprojektleitenden zu stärken. Dieses Format hat sich als hochrelevant für unser Projektgeschäft erwiesen und wird von den Teilnehmenden außerordentlich gut angenommen.”
Potenzialträger:innen ist ein großer Begriff. Wie identifizieren Sie diese?
“Wir verfügen über ein differenziertes Talentmanagement-System, das eng mit unserem Performancemanagement verzahnt ist, sich aber deutlich davon unterscheidet. Während das Performancemanagement auf einer leistungsbasierten Einschätzung beruht, blickt das Talentmanagement in die Zukunft: Welches Potenzial trauen wir einer Person aufgrund ihrer bisherigen Leistung und ihren Fähigkeiten zu, um neue oder erweiterte Aufgaben zu übernehmen?
In 2024 haben wir das System weiter verfeinert und werden dieses Jahr die Jahresauftaktgespräche bei der DB E&C in Deutschland einführen. Dabei werden alle Mitarbeitenden, die gute bis sehr gute Leistungen zeigen, gemeinsam von Führungskraft und HR-Bereich nach ihrem Potenzial bewertet. Wir unterscheiden dabei drei Entwicklungsrichtungen: Führungsaufgaben, Projektleitungen – sowohl im technischen als auch im kaufmännischen Bereich – und Fachkarrieren. Besonders bei den Fachkarrieren, wo es um die Entwicklung von Expert:innen in einem bestimmten Bereich geht, arbeiten wir derzeit intensiv an der Ausgestaltung und pilotieren ein erstes Konzept für den Planungsbereich.
Die Bereiche Projektkarriere und Führungskarriere sind bereits sehr gut etabliert und werden durch die Jahresauftaktgespräche systematisch gesteuert. Zusätzlich haben wir eine Nachfolgeplanung implementiert, bei der sich Mitarbeitende einmal jährlich selbst für Führungspositionen nominieren können – auch aus dem tariflichen Bereich. Dabei schreiben wir Positionen aus, für die wir in den kommenden Jahren Bedarf sehen. In 2024 haben wir erstmalig Sammelfunktionen für Frauen ausgeschrieben, um gezielt weibliche Potenzialträgerinnen anzusprechen. Das ist dann eine offen gehaltene Funktion bei der Nachfolgeplanung unter dem Titel ‘Frauen @ DB E&C’. Das heißt, alle Frauen, die Interesse an Führungsrollen haben, konnten sich unabhängig von verfügbaren Stellen bewerben – der Rücklauf war bemerkenswert.“
Angenommen, eine Person ist bereits Führungskraft. Wie sehen konkrete Programme zur Begleitung und Weiterentwicklung dieser Person aus?
“Die Entwicklungsangebote für Führungskräfte orientieren sich stark an der jeweiligen Karrierephase und den individuellen Anforderungen. Ein Beispiel: Stehen organisatorische Veränderungen an, können Change-Management-Seminare belegt werden. Diese Entscheidung wird im Dialog zwischen der Führungskraft und ihrem Vorgesetzten sowie in Abstimmung mit der betreuenden Führungskraft getroffen.
Besonders wertvoll sind unsere Qualifizierungsangebote für Führungskräfte, die vor einer erweiterten Funktion stehen oder diese gerade übernommen haben. Denn jeder Karriereschritt bringt neue Herausforderungen mit sich, bei deren Bewältigung wir unsere Führungskräfte gezielt unterstützen.
Diese Programme werden konzernweit von der DB Akademie angeboten und kombinieren neueste Methoden externer Trainingsinstitute mit DB-spezifischen Inhalten. Ein besonderer Mehrwert entsteht dabei durch den Austausch mit Führungskräften aus anderen Geschäftsfeldern. Die Trainings finden im historischen Kaiserbahnhof in Potsdam statt, was einen inspirierenden Rahmen bietet, um die Zusammenarbeit innerhalb des ‘Team DB’ zu stärken und die verschiedenen operativen Herausforderungen des Konzerns besser zu verstehen.”
Und wie wird die persönliche Entwicklung von Mitarbeitenden gefördert, die keine Führungspositionen anstreben?
“Die persönliche Entwicklung unserer Mitarbeitenden wird in einem dynamischen Prozess gesteuert. Jährlich evaluieren wir die Entwicklungsperspektiven – wobei diese Einschätzungen nicht starr sind, sondern sich durchaus ändern können. Ein Beispiel: wir sind der Meinung, dass jemand mittelfristig Potenzial für eine Führungsposition zeigt, zum jetzigen Zeitpunkt will die Person dies allerdings gar nicht oder die richtige Position ist aktuell nicht vorhanden. Dann konzentrieren wir uns zunächst auf eine fachliche Weiterentwicklung und bleiben mit der Person im Dialog.
Ich bin überzeugt, dass fachliche Weiterentwicklung am besten ‘on the job’ gelingt. Das kann die Übernahme erweiterter Aufgabengebiete bedeuten, etwa die Leitung eines internen Projekts, ein Auslandseinsatz oder die Unterstützung einer erfahrenen Projektleitung in der Bauüberwachung.
Die konkrete Planung dieser Entwicklungsschritte erfolgt in regelmäßigen Gesprächen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Besonders der jährliche Dialog ist hier ein wichtiges Instrument, um geeignete Entwicklungsmaßnahmen festzulegen und zu vereinbaren.”
Welche Kompetenzen sind Ihnen bei Führungskräften in einem global agierenden Unternehmen wie der DB E.C.O. Group besonders wichtig? Werden Eigenschaften bewusst gefördert? Und wonach wird möglicherweise schon vorab ausgewählt?
“Wir vermeiden eine pauschale Vorselektion, da jede Führungsposition spezifische Anforderungen hat. Bildlich gesprochen ist es wie eine Klaviatur: Für unterschiedliche Führungsaufgaben – sei es ein Sanierungsprojekt oder ein Bereichsaufbau – werden verschiedene ‘Noten’ benötigt, die je nach Projekt sehr unterschiedlich sein können.
Wir arbeiten mit dem DB-Rollenmodell, das acht verschiedene Führungsrollen definiert, beispielsweise ‘Unternehmer:in’ oder ‘Change Manager:in’. Die Besetzung von Führungspositionen erfolgt durch das ‘Behavior Event Inventory’ (BEI), ein strukturiertes Diagnostikverfahren, das die Eignung für die spezifisch erforderlichen Rollen überprüft.
Zusätzlich evaluieren wir in einer jährlichen Kalibrierungskonferenz alle Führungskräfte. Dabei bewertet die jeweils höhere Ebene nach dem Mehr-Augen-Prinzip die Leistungen der direkt berichtenden Führungskräfte. Die Kalbrierungskonferenzen gehen bis zur Ebene der Geschäftsleitung. Wichtig ist: Wir bewerten nicht nur wirtschaftliche Kriterien, sondern betrachten verschiedene Leistungskennzahlen aus sozialen, qualitativen und produktivitätsbezogenen Dimensionen. Konkrete Beispiele sind der Frauenanteil in Führungspositionen oder auch spezifische Situationen. Etwa wenn eine Führungskraft ihre EBIT-Ziele erreicht, aber eine sehr niedrige Mitarbeitendenzufriedenheit aufweist, hinterfragen wir kritisch, auf welche Kosten diese wirtschaftliche Leistung erzielt wurde.
Diese ganzheitliche Betrachtung ist fundamental für unseren Ansatz bei der DB E.C.O. Group: Wir sind überzeugt, dass High-Performance-Teams nur dann nachhaltig erfolgreich sind, wenn sie im Einklang mit unseren Unternehmenswerten agieren. Dazu gehören Werte und Parameter, die deutlich über rein wirtschaftliche Kennzahlen hinausgehen.”
Sie haben es gerade angesprochen, Stichwort ‘Frauen in Führungspositionen’: Gibt es grundsätzlich Programme zur Förderung von Diversität in Führungspositionen oder in der Belegschaft generell?
“Statt allgemeiner Diversitätsschulungen für Führungskräfte setzen wir auf kulturelle Sensibilisierung im Arbeitsalltag. Ein aktuelles Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen unseren Design Centern in Rumänien und Indien mit den deutschen Planungsbereichen. Da ist es wichtig zu verstehen, welche Unterschiede es möglicherweise aufgrund kultureller Missverständnisse in der Zusammenarbeit geben kann. An konkreten Beispielen werden diese Sensibilisierungsformate durchgeführt, die übrigens auch aktuell laufen. Hier lernen die Teams, kulturelle Unterschiede zu verstehen und diese für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu nutzen.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung von Frauen in Führungspositionen. Die DB hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2035 einen Frauenanteil von 40% in Führungspositionen zu erreichen. Zur Unterstützung dieses Ziels haben wir verschiedene Initiativen etabliert, zwei dieser Maßnahmen möchte ich besonders herausstellen:
- Das SHE.C.O.-Netzwerk mit 250 Mitgliedern, das Frauen in Führungspositionen, mit Führungsambitionen oder in Fach- und Projektfunktionen vernetzt und fördert
- Ein neues Lead-Potenzialträger-Programm speziell für weibliche Potenzialträgerinnen, das Anfang nächsten Jahres mit 13 Teilnehmerinnen startet
Diese Maßnahmen sind Teil unserer strategischen Ziele und werden durch konkrete KPIs gemessen. Die Förderung von Diversität wird so durch gezielte Qualifizierungsangebote und Netzwerkaufbau systematisch unterstützt.”
Sie haben eben schon von der Unternehmenskultur gesprochen. Wie fördern Sie eine Kultur des Lernens und welche Rolle spielt z.B. auch Eigenverantwortung bei der Personalentwicklung? Sie hatten ja bereits gesagt, dass Leute sich auch selbst als Potenzialträger:innen ins Spiel bringen können.
“Das ist ein sehr spannender Punkt, denn Lernen und Weiterentwicklung sind keine Einbahnstraße. Wir verstehen das als wechselseitigen Prozess, bei dem Eigenverantwortung eine zentrale Rolle spielt. Unsere Erfahrung zeigt, dass nachhaltige Entwicklung nur durch persönliches Engagement gelingt. Dabei ist es wichtig, dass Mitarbeitende eine klare Vorstellung ihrer Ziele haben und diese aktiv mit ihrer Führungskraft besprechen.
Parallel zum regulären Benennungsprozess durch Führungskräfte besteht immer die Möglichkeit der Selbstnominierung, etwa für unser SHE.C.O.-Netzwerk oder unsere Potenzialträger:innenprogramme. Diese zweifache Möglichkeit der Nominierung halte ich für essenziell, um allen Mitarbeitenden Entwicklungschancen zu eröffnen und dabei, bspw. im jährlich stattfindenden Performancegespräch, in den Dialog zu gehen.
Wir unterstützen auch berufsbegleitende Weiterbildungen. Als Personalentwicklung werden wir häufig von Mitarbeitenden kontaktiert, die sich beispielsweise für ein Masterstudium interessieren. In solchen Fällen prüfen wir gemeinsam den Mehrwert für die berufliche Entwicklung im Unternehmen und können eine finanzielle Beteiligung an den Studienkosten anbieten.
Die Einstellung unserer Mitarbeitenden ist dabei sehr proaktiv – sie warten nicht darauf, dass ihnen Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden, sondern bringen sich eigenverantwortlich ein und gestalten ihre berufliche Entwicklung selbst mit. Als Unternehmen unterstützen wir diesen Gestaltungswillen und schaffen die entsprechenden Rahmenbedingungen.”
Wie würden Sie die Unternehmenskultur bei der DB E.C.O. Group beschreiben?
“Die Unternehmenskultur der DB E.C.O. Group basiert auf dem ‘Kompass für ein starkes Miteinander’ der Deutschen Bahn, der durch fünf Kompassprinzipien definiert wird. Diese Prinzipien sind nicht nur Leitlinien, sondern fließen auch konkret in die jährliche Leistungsbewertung ein. Durch unsere zweijährige Mitarbeitendenbefragung, die diese Kompasskriterien aufgreift, können wir die Entwicklung unserer Unternehmenskultur kontinuierlich messen und bewerten.
Die DB E.C.O. Group unterscheidet sich allerdings auch in einigen wichtigen Aspekten vom Gesamtkonzern. Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir ein internationales Geschäftsfeld sind. Das beeinflusst eine Unternehmenskultur aus meiner Sicht sehr stark. Ein weiterer Punkt ist, dass wir sehr viele Ingenieur:innen bei uns haben. Insgesamt sind es über 80% Akademiker und von denen sind die meisten auch aus dem technischen Bereich. Das hat definitiv Einfluss auf die Kultur und den Umgang im Unternehmen.
Was ich bei uns wahrnehme, und dafür schätze ich die Firma extrem, ist ein ganz hoher unternehmerischer Drive. Es geht um eine erfolgreiche wirtschaftliche Bilanz, die man ziehen möchte.
Das spiegelt sich auch in der aktuellen Mitarbeitendenbefragung wider, wo das Thema Digitalisierungsstand durchaus kritisch bewertet wurde – was ich als positives Zeichen für das Engagement und die Zukunftsorientierung unserer Mitarbeitenden sehe. Unsere Mitarbeitenden geben sich nicht einfach mit dem Status Quo zufrieden, sondern fordern Weiterentwicklung durchaus ein.
In der Mitarbeiterbefragung wurde noch etwas deutlich: Ein weiteres herausragendes Merkmal unserer Kultur ist die ausgeprägte psychologische Sicherheit, auch im Konzernvergleich. Unsere Mitarbeitenden können Ideen und Meinungen frei äußern, diese werden gehört und finden Berücksichtigung. Ich denke, dass das ein wirkliches Kulturmerkmal ist und uns auch gegenüber Wettbewerbern positiv auszeichnet, da High Performance damit viel wahrscheinlicher ist.”
Stichwort internationales Umfeld: Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, Mitarbeitende in unterschiedlichen Regionen und Kulturen einheitlich zu fördern? Gibt es da einen ganzheitlichen Ansatz oder ist das etwas, was individuell mit Augenmaß behandelt wird?
“Wir verfolgen bei der internationalen Personalentwicklung einen differenzierten Ansatz, der kulturelle Unterschiede und regionale Besonderheiten berücksichtigt. Dabei arbeiten wir nach dem Prinzip ‘global denken, lokal handeln’.
Die Personalentwicklung ist so strukturiert, dass die grundsätzliche Verantwortung und strategische Ausrichtung zentral gesteuert werden. Die konkrete Umsetzung und Anpassung an lokale Gegebenheiten erfolgt dann in enger Zusammenarbeit mit unseren internationalen HR-Experten, insbesondere durch meine geschätzten Kolleginnen und unsere Spezialistinnen für internationale Personalentwicklung, Giada Feroce-Vernikovsky für die DB E&C und Katrin Sünderhauf für die DB International Operations.
Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz ist unsere ‘Du-bist-uns-wichtig-Initiative’. Während die Grundkonzeption zentral entwickelt wurde, prüfen wir für den internationalen Markt individuell, welche Anpassungen notwendig sind. Wir gehen dabei von der Erkenntnis aus, dass Initiativen und Instrumente, die in Deutschland erfolgreich sind, nicht automatisch in anderen Ländern wie beispielsweise Indien die gleiche Wirkung entfalten und nehmen daher auch Evaluation sowie Ableitung konkreter Maßnahmen stets im jeweiligen kulturellen und regionalen Kontext vor.
Dieser flexible Ansatz ermöglicht es uns, die Qualität und Grundprinzipien unserer Personalentwicklung konzernweit einheitlich zu gestalten und gleichzeitig den spezifischen kulturellen und regionalen Anforderungen gerecht zu werden.”
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Personalentwicklungsstrategien aus und welche Maßnahmen treffen wir als Unternehmen, um Talente gezielt anzusprechen und zu halten?
“Der Fachkräftemangel hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Personalstrategien. Wir begegnen dieser Herausforderung mit einem zweigleisigen Ansatz: einerseits durch verstärkte Mitarbeiterbindung, andererseits durch eine Anpassung unserer Rekrutierungsstrategie.
Im Bereich der Mitarbeiterbindung haben wir beispielsweise die ‘Du-bist-uns-wichtig-Initiative’ ins Leben gerufen. Der Fokus liegt darauf, qualifizierte Mitarbeitende zu halten und weiterzuentwickeln, da der Verlust von Expertise schwer zu kompensieren ist und Nachbesetzungen zunehmend herausfordernd werden.
Bei der Rekrutierung zeigen wir mehr Flexibilität als früher. Während wir in der Vergangenheit Kandidat:innen suchten, die das Anforderungsprofil zu 95 Prozent erfüllten, haben wir heute unsere Perspektive etwas geändert. Auch Bewerbende mit bspw. nur 80-prozentiger Übereinstimmung können einen guten Fit für das Unternehmen darstellen, wenn wir bereit sind, diese zu fördern. Dies erfordert von uns eine höhere Risikobereitschaft und verstärkte Investitionen in Onboarding-Maßnahmen. Zudem öffnen wir uns verstärkt für Quereinsteiger:innen mit vergleichbaren Qualifikationen, auch wenn dies aufgrund der Vorgaben des Eisenbahnbundesamts gewisse Grenzen hat.
Ein wichtiger neuer Fokus liegt auf dem Cross-Border Recruiting. Wir arbeiten intensiv daran, internationale Fachkräfte für das Gesamtsystem Bahn in Deutschland zu gewinnen. Dies stellt uns vor komplexe Herausforderungen, insbesondere im sprachlichen Bereich, da unsere Arbeitsunterlagen und Prozesse überwiegend auf Deutsch sind und der Erwerb von relevanten Qualifikationen erschwert ist. Hier entwickeln wir Strategien, die von digitalen Übersetzungstools bis hin zu sprachlichen Vorqualifizierungen reichen. Allerdings bleiben gewisse Hürden bestehen, etwa bei notwendigen Fachprüfungen, die Deutschkenntnisse voraussetzen.
Diese Entwicklungen erfordern ein grundlegendes Umdenken in unseren Personalentwicklungsstrategien. Wir müssen innovative Wege finden, um qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten, während wir gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards unserer Branche wahren. Wenn ich mir allerdings die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und die Ergebnisse der Mitarbeitendenbefragung anschaue, komme ich absolut zu dem Schluss, dass wir da auf einem guten Weg sind.”
Danke für diesen spannenden Einblick!